Bäderarchitektur

Erreichen Gäste das Ostseebad Sellin auf Rügen, fällt vielen von ihnen zuerst die außergewöhnliche Architektur der Bauten im Ort auf. Das Ortsbild wird maßgeblich geprägt von in stilvollem Weiß gehaltenen Gebäuden, welche die Straßen säumen. Einigen von ihnen sieht man an, dass sie restauriert wurden und ein etwas älteres Baujahr besitzen, während andere den Eindruck eines recht neuen Gebäudes ausstrahlen. Viele ihrer äußerlichen Merkmale haben sie gemein. Zu den typischen Charakteristika zählen neben Veranden und Balkonen auch Fenster in Rundbögen- oder Rechteckform. Die Fenster sind partiell mit Halbsäulen ausgestattet. Im Bereich der Dächer dominieren Dreiecksgiebel oder geschweifte Giebel, aber auch kleine Türme sind vorzufinden. Aus stilistischer Sicht werden hier klassische Elemente frei miteinander kombiniert. Neben diesen findet man auch Elemente des Jugendstils in den Bauten in Sellin und anderen Ostseebädern. Als Baustoff wurde häufig ein Steinkern eingesetzt, um welchen das Gebäude mit Holz erbaut wurde. In puncto Farbgebung dominiert Weiß, aber auch weitere Farben sind vorzufinden. Diese umfassen unter anderem Bordeaux, Olivgrün oder auch Blau. Sie sind aber vergleichsweise selten vorzufinden. Der Eindruck der Bauten kann als filigran bezeichnet werden, auch wenn sie zwischen zwei und vier Stockwerke besitzen. Heute beherbergen die Häuser oft Hotels und Ferienwohnungen höheren Anspruches. Sie eignen sich aufgrund der stilvollen Umgebung auch für Häuser mit einer Ausrichtung auf den Bereich Wellness. Wellness spielt für das Tourismusziel Rügen allgemein eine immer größere Rolle, so auch in Sellin - wie hier zu lesen. Anspruchsvolle Gäste legen neben einer stilvollen Umgebung in Häusern der Bäderarchitektur vermehrt Wert auf Angebote in den Bereichen Massage und Spa.

Geschichte

Aus geschichtlicher Sicht stammt der Baustil aus der Zeit der Jahrhundertwende zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert. In dieser Epoche erlebte die Ostseeküste ihre erste Blütezeit als Tourismusregion. Prägten vorher fast ausschließlich kleine Fischerdörfer und größere Hansestädte das Bild, entwickeln sich nun einige der Fischerdörfer zu Badeorten. Diese Entwicklung betraf neben Rügen auch die Insel Usedom und andere Regionen, wie zum Beispiel Kühlungsborn. Zu dieser Zeit waren Reisen an die Ostsee und Urlaube allgemein eher den oberen und vermögenden Bevölkerungsschichten vorenthalten. Dementsprechend gestaltete sich auch die Natur der Unterkünfte in den Reisezielen. Diese musste gehobenen Ansprüchen genügen, sowohl was den Komfort als auch die Optik betraf. Daher erklärt sich die filigrane Form und die Farbgebung in der Bäderarchitektur - diese sollte auch von außen eine standesgemäße Unterbringung suggerieren. Neben Sellin verbreitete sich die Bäderarchitektur auch in Binz, Heringsdorf, Bansin, Kühlungsborn und etlichen anderen Orten an der Ostseeküste aus. In der wechselhaften Geschichte Deutschlands mit den beiden Weltkriegen und der Teilung Deutschlands rückten die Gebäude in den Seebädern in den Hintergrund. Die Zeit hinterließ ihre Spuren nicht nur an der Fassade. Erst mit der zweiten touristischen Blütezeit der Region nach der deutschen Wiedervereinigung rückte das Erbe des Bäderstils wieder mehr in den Fokus. Die Gebäude wurden vielfach einer Sanierung unterzogen um sie touristisch nutzbar zu machen. Neben Hotels haben sich auch Pensionen in den Bauten niedergelassen, vorzugsweise solche mit gehobenem Standard im 4-Sterne-Bereich. Insbesondere auffällig ist ein Sellin die Seebrücke, welche auch Elemente des Bäderstils zeigt. Auf ihr befinden sich ein Restaurant sowie Ausflugsmöglichkeiten im Bereich der Schifffahrt. Das bekannteste Beispiel und auch Postkartenmotiv für den Bäderstil in Sellin ist jedoch die Wilhelmstraße. Sie ist gesäumt von reizvollen Gebäuden dieses Architekturstils und führt direkt auf die Seebrücke zu.